Wir Motorradfahrer sind schon eine eigene Spezies. Egal, welcher Fremde unter dem Helm des entgegenkommenden Fahrzeuges steckt, es "gehört sich einfach", dass man grüßt und in der Regel zurückgegrüßt wird. Etwas anders verhält es sich da schon, wenn der Kollege von hinten kommt – da wird er meist augenblicklich zum "Feind", wird fast öfter der Ellbogen zur Abwehr des Angriffs rausgedrückt als die linke zum Gruß erhoben. Kann doch nicht sein, dass andere schneller unterwegs sind…
Woher dieses Grüßen nun kommt, ist nicht stichhaltig überliefert, die Meinungen dazu reichen vom alten Rockerbrauch bis zu jenen Zeiten, wo eben fast noch keine motorisierten Zweiräder auf den Straßen gewesen sind, letztlich ist es auch egal. Es handelt sich einfach um ein positives, verbindendes Ritual, dem ich sehr gerne folge. Jetzt im Winter muss man naturgemäß seltener grüßen und tut dies meist ebenso intensiver bzw. "ehrlicher", wie auch auf Reisen in entlegene Gegenden, wo einem nur alle heiligen Zeiten ein anderes Motorrad entgegenkommt: Man ist unter Seinesgleichen. Im Hochsommer auf beliebten Strecken wie der Kalten Kuchl in Ostösterreich oder in den Südtiroler Dolomiten bekommt man dagegen vor lauter Grüßen kaum die Hand auf den Lenker.
Vor wenigen Wochen habe ich im Rückspiegel mitansehen müssen, wie ein junger Biker nur mit viel Mühe einen Sturz verhindern konnte, nachdem er mich in einer Kehre zurückgegrüßt und danach die Kontrolle über seine Transalp verloren hatte. Also bin ich retour und leistete ihm bei der Beruhigungszigarette Gesellschaft. Vielleicht liest er ja diese Zeilen, deren Anstoß zu schreiben er zwar gewesen ist, die aber jeden von uns mehr oder weniger betreffen: Man kann auch durch Nicken oder Anheben der Finger mit der den Lenker umschlossenen Hand seine Solidaridiät bekunden, wenn es die Fahrsituation nicht zulässt, ist aber auch das zu unterlassen. Sicherheit hat immer oberste Priorität, die eigene und die der anderen Verkehrsteilnehmer. Du hast nichts mehr davon, wenn auf deinem Grabstein "aber er hat wenigstens gegrüßt" gemeißelt ist.
Viel wichtiger erachte ich es, dass man sich unter Motorradfahrern hilft. Ich fahre an keinem, der außerhalb von Ortschaften am Straßenrand steht, einfach vorbei, ohne ihn zumindest durch eindeutige Gesten zu fragen, ob alles in Ordnung sei. Dies zu unterlassen, ist ein wahrer Fauxpax – nicht, wenn man "irrtümlich" einen Mopedfahrer mit rotem Taferl gegrüßt hat. Ich erinnere mich schließlich noch gut daran, wie sehr mich das als Jugendlicher freute und ich ebenso stolz wie cool zurückgegrüßt habe.
-wolf
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Herby (Samstag, 02 Januar 2016 13:31)
Hallo Wolf,
Du sprichst mir aus der Seele, das Geschriebene könnte glatt von mir stammen. Ich rege mich auch immer auf über die 'scheinheilige' Gemeinschaft der Biker durch die Winkerei. Solange man sich begegnet, wohlgemerkt. Wehe aber, man überholt einen Biker der geradeaus den Hahn richtig aufreißt, dann die Kurven aber absolut schräglagenverneinend durchrollt - nein, sowas geht ja gar nicht.
Ich wünsche Dir eine tolle Saison 2016, Gruß Herby
vienna_wolfe (Sonntag, 03 Januar 2016 21:01)
@ Herby:
Ich grüße aber auch die, die ich überhole ;-)
Freut mich, wenn dir meine Zeilen gefallen haben - auch dir eine spannende Motorradsaison 2016, vielleicht fahren wir uns ja mal übern weg, Zeit wärs...
Herby (Dienstag, 05 Januar 2016 21:34)
Wie grüßt man Überholte? Die Italiener nehmen dazu kurz das rechte Bein von der Raste. Ich grüße in dem Fall meist auch, aber nur wenn ich vorher nicht 'geärgert' wurde.
Zeit wärs ..., ja, würde mich freuen. Vielleicht klappt es ja mal.
Gruß Herby
Grenzgänger (Freitag, 08 Januar 2016 03:34)
Hallo Wolf,
Hier ist, wie bei vielen Deiner geraden Worte, nix hinzu zu fügen.
Ich denke auch das daß grüßen bzw die Hilfsbereitschaft für mich selbstverständlich ist und für jeden auch sein sollte.
Gerade wenn jemand eine Panne etc. hat, ist es für mich keine Frage zu Helfen.
Ich denke jeder kommt mal mehr oder weniger in die Situation wo man selbst Hilfe bedarf.
So erging es mir zu Weihnachten auch. Ich zog mich an um Mittags eine runde zu fahren, das Wetter War klasse. Warm, Sonne, Fahrzeit.
Als ich mein Motorrad starten wollte, merkte ich schon das die Batterie sich schwer tat.
Ging aber an. Also los. Zack Tanklampe. An der Tankstelle angekommen dachte ich mir machst Du gleich die Zündung aus, das erst nicht sinnlos Strom verbraucht wird.
Also Tank voll und los. Also Anlasser gedrückt und ging mit dem fast letztem zucken an. Glück gehabt dachte ich. Leg den Gang rein und dann das was jedem schon sicher zig fach passiert ist.
Seitenständer noch ausgeklappt.
Moped aus.
Nun schrieb mal nen Einzylinder an...
Erst mal von der Säule weg geschoben.
Hinter mir kam ein Auto, alter Ford Fiesta.
Zwei Jugendliche Etwa so 20 -25. Basecap, schlabberlook.
Sie erkannten gleich die Situation und ohne große Worte kamen beide um zu Helfen.
Ich finde das Grandios, gerade von Jugendlichen wird das nicht mehr erwartet.
Schließlich konnte ich dann doch noch eine tolle runde von 160 km dank der Jungs fahren.
Sorry Wolf, ist etwas länger geworden.
Eine tolle Saison wünsche ich Dir, mach weiter so mit der Klasse Seite!
Gruß, Cornell.
vienna_wolfe (Freitag, 08 Januar 2016 20:59)
@ Cornell:
Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass dein Eintrag etwas länger geworden ist – ganz im Gegenteil, es freut mich!
Die Geschichte passt doch wirklich vortrefflich zu Weihnachten und bestätigt mich bzw. bestimmt auch dich in meinem/unserem Tun: Wie man in den Wald reinruft, so kommt es auch raus. Wir hätten den Jungs an der Tanke ja genauso angeschoben, wenn sie mit dem Moped dort gestanden wären...
Auch dir eine spannende, vor allem verletzungsfreie Saison!
Angelika (Dienstag, 09 Februar 2016 14:24)
Zum Grüßen hab ich nichts hinzuzufügen. :-) Aber ist es eigentlich noch aktuell und bekannt, dass Motofahrer, die am Straßenrand stehen und einen Schal od. ähnliches um den Seitenspiegel gebunden haben, Hilfe benötigen?
Ich habe das vor -hm- 27 Jahren beim FS noch so gelernt. :-)
vienna_wolfe (Freitag, 12 Februar 2016 10:27)
@ Angelika:
Kann mich zwar auch dunkel an sowas erinnern, in der Praxis habe ich jedoch noch nie gesehen, dass ein Schal um den Seitenspiegel gebunden wäre - ich z.B. hätte auch eher selten einen dabei ;-)
Ein kurzes Nicken, eventuell mit gleichzeitigem Daumenheben reicht aber auf alle Fälle bzw. gibt dem Kollegen am Straßenrand die Gelegenheit, aufzuschreien, wenn er Hilfe braucht...
Ralph (Samstag, 23 April 2016 20:48)
Servus Wolf,
auch wenn es vielleicht von Manchem nicht gerne gelesen wird: ich grüße nur noch selten.
Wenn ich grüße, ist das in Situationen, in denen andere Motorradfahrer etwas Besonderes sind - bspw. bei miesem Wetter oder in eher abgelegenen Gegenden. Ich erkenne keinen Sinn darin, an sonnigen warmen Tagen alle gefühlt 30 Sekunden die Hand hochzureißen. Ich möchte in den wenigen Tagen in denen ich meinem geliebtem Hobby nachgehen kann, nicht winkend durch die Gegend fahren, sondern Straße, Landschaft und das Fahren an sich genießen. Wenn andere knieschleifend in der Kurve die Hand hochreißen entlockt mir das nur ein Kopfschütteln. Bei erkennbarem Notstand von Bikerkollegen anzuhalten und Hilfe anzubieten ist dagegen selbstverständlich. Das ist es aber beim Autofahren auch.
Winkewinke
Ralph
vienna_wolfe (Montag, 25 April 2016 13:06)
@ Ralph:
Das kann ich schon ganz gut nachvollziehen, dass man an sonnigen Tagen auf vielbefahrenen Strecken nicht pausenlos grüßt - mache ich genausowenig. Es kommt eben auf die Situation an, prinzipiell aber finde ich die Winkerei dennoch einen ganz netten "Brauch", der obendrein irgendwie verbindet. Wie in meiner Kolumne erwähnt, natürlich in entlegenen Gebieten oder z.B. im Winter mehr bzw. "intensiver", als dort, wo alle fahren.
Häusler Ernst Wilhelm(Ernie Robusto) (Samstag, 28 Mai 2016 10:20)
Hi Wolf Man!
Bitte um Respekt für meine Wenigkeit!Leider musste ich feststellen,dass in Deinem CCM GP450 Testbericht fälschlicherweise die Firma Moto Doc Häusler(vormals Moto Doc Dübi)als Importeur der CCM GP450 in der Schweiz angegeben wird.Dies entspricht nicht den Tatsachen,da ich seit 1973 (!)diese Marke in der Schweiz vertrete.Ich bitte Dich höflich,diese Eintragung in Deinem Test zu ändern.
Adresse: Ernst Wilhelm Häusler,Breitensteinstrasse Nr.58,Postfach 312,CH-8037 Zürich
Mobile:0041 79 630 26 89
vienna_wolfe (Dienstag, 31 Mai 2016 17:35)
@ Ernie Robusto:
Sorry, war natürlich unbeabsichtigt - aber die erwähnte Firma hatte ich im Netz gefunden. Ist mittlerweile aktualisiert, es handelt sich dabei freilich um einen zwei Jahr alten Artikel.
Gute Geschäfte und die linke zum Gruß! ;-)
trentino biker (Sonntag, 04 Dezember 2016 14:04)
hallo wolf
ja stimmt -> dein bericht, -> das lebe ich 1:1 auch so ...
komisch jedoch auch … was mir noch extrem auffällt,
ist die tatsache, das wenn du an der tankstelle tankst.
grüßen sich die biker gegenseitignicht, da wird sogar gegenseitig weggesehen
wie eine andere welt, ertappe mich ehrlich gesagt auch dabei ?
warum das so ist hmmm …. keine ahnung ?!
viele grüsse -trentino biker-
vienna_wolfe (Donnerstag, 08 Dezember 2016 08:18)
@ trentino biker:
Diese Beobachtung an der Tankstelle konnte ich eigentlich noch nicht machen - ich grüße auch dort (bzw. werde gegrüßt) ebenso wie in Lokalen oder sonstwo, wo man sich gegenseitig als Motorradfahrer erkennt. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel...
Berndl (Dienstag, 30 Mai 2017 13:41)
[...Motofahrer, die am Straßenrand stehen und einen Schal od. ähnliches um den Seitenspiegel gebunden haben...]
Ja, das gab es Anfang der 70er-Jahre und wurde von "Klacks" (Ernst Leverkus) erfunden. Die Schals wurden speziell vom Motorbuch-Verlag Stuttgart (MOTORRAD) angeboten und sollten benötigte Hilfe und Solidarität unter den Motorradfahrern sympolisieren.
So kurz,
Berndl
- - - - -
PS: Ernst Leverkus schrieb u.a. auch das Buch "Motorradfahrschule" von Klacks - Motorbuch-Verlag Stuttgart. Ich habe es mir zu Beginn meiner Biker-Kariere zu Herzen genommen und bin seit 1974 unfallfrei unterwegs...
vienna_wolfe (Mittwoch, 31 Mai 2017 14:21)
@ Berndl:
Danke für die Info - das wusste ich nicht. Als Lektüre fürs sichere Fahren kann ich jedem nur "Die obere Hälfte des Motorrads" von Bernd Spiegel ans Herz legen.
Wolfgang Stadler "loco lobo" (Mittwoch, 29 August 2018 16:40)
Servus Vienna Wolfe, i bin da Woif aus Soizbuag ...
Meines Wissens stammt der Brauch ca. aus den 50ern/60ern in Grossbritannien. Die Rider hatten ein gelbes Halstuch, das sie bei Bedarf an den Lenker/Spiegel knoteten
Da Beda aus Bayern (Samstag, 13 Oktober 2018 23:00)
Hi Wolfgang,
das mit dem Gruß kenn ich noch als mit 18 angefangen habe,mit dem Motorrad zufahren,jetzt bin 59 & grüsse immer noch wenns der Verkehr zulässt,aber das mit der Hilfsbereit lässt zu wünschen übrig.
Dieses Jahr wahr ich auf der Rückreise v. den Seealpen ,fuhr den kl.St.Bernhard bei miesestem Wetter hoch,da sah ich schon von weitem das auf der gegenüberliegenden Fahrerseite ein Motorrad auf dem Boden lag &2 Personen versuchten das Bike hoch zu heben,in der zeit als ich bei ihnen ankam fuhren Motorradfahrer & Autofahrer an ihnen vorbei.Ich blieb stehen hob die Kiste hoch da das Pärchen meiner Beurteilung nach unter Schock standen.Ich wartete bis sie weiter fuhren ,&bin dann auch weiter gefahren.Soviel zum Thema Hilfsbereitschaft.
Da Beda
Jens Seyfarth (Donnerstag, 10 Juni 2021 20:00)
Hier hat zwar schon länger keiner mehr geschrieben, aber hindert mich ja nicht.
Mir ist bekannt, dass das Grüssen von den Briten rüber gekommen ist. In der Frühzeit des Bikenen's würde sich dem vernehmen nach auf diese Weise signalisiert, ob die Strecke frei von Bobbie's ist, oder nicht. Mit dem Gruß zeigte man also an: "Strecke frei". Blieb die Hand unten, wusste jeder: "obacht" auf der Strecke...
Vielleicht war es ja tatsächlich so...
Viele Grüße