Als ich mich heute vor zwei Wochen von meinem Marknagel im Unterschenkel trennte, der mich jetzt seit dem Sturz in der Mongolei gute eineinhalb Jahre begleitet hatte, durfte ich die Geschichte im Eisenstädter Krankenhaus wieder x-mal erzählen. So wie schon im Juni 2015 unmittelbar vor und nach der Operation im Wiener AKH. Sogar eine Psychologin hatten sie mir damals aufs Zimmer geschickt. Hört sich ja auch wirklich spannend an, so 19 Stunden mit einem Schien- und Wadenbeinbruch am Rande der Wüste Gobi herumzuliegen, noch ehe der dann erst recht schmerzhafte, siebeneinhalbstündige Transport im Geländewagen nach Ulaanbaatar begann. Als Journalist solle ich doch über meine Gedanken, über meinen Weg der Trauma-Bewältigung, schreiben, hatte mir einer der Ärzte geraten.
Naja, allzuviele Möglichkeiten stehen einem ja nicht zur Verfügung, wenn man so daliegt, außer den Schmerz eben auszuhalten. Selbst die unterwegs auf der üblen Rumpelpiste aufkommenden Gedanken, dass man am liebsten einfach den Stecker rausziehen würde, waren nicht in die Realität umzusetzen. Ich denke, dass mir auch kaum einer meiner mitreisenden Freunde diesen Wunsch erfüllt hätte. Was ich mir im Nachhinein betrachtet aber ersparen hätte können, war diese drückende Ungewissheit. Die Gedanken wer soll das bezahlen?, die mich zumindest genauso quälten, wie die nun einmal präsenten körperlichen Schmerzen. Mit dem (normalen) ÖAMTC-Schutzbrief, der ja gute Leistung für relativ kleines Geld bietet, kannst du dich außerhalb Europas brausen. Und wenn nicht die Versicherung meiner Kreditkartenfirma sämtliche Kosten von Klinik-Aufenthalt bzw. Heimtransport mit der Flugambulanz übernommen hätte, würden mir die finanziellen Schmerzen noch viele Jahre länger zu schaffen machen, als irgendwas im Haxen zu spüren ist. Von diesem Glück im Unglück wusste ich damals nichts – und die Lehre daraus muss einfach sein, sich vorher für den Fall des ungeplanten Falles schlau zu machen. Nicht mehr aufs Motorrad zu steigen war für mich nie eine Option, noch neben der Beta 400 RR im Sand liegend rechnete ich mir bereits aus, wie lange ich ausfallen und ob sich wenigstens noch im Herbst die eine oder andere Tour ausgehen würde…
Was ich hier rüberbringen will: Ich werde auch in Zukunft spannende Destinationen suchen und keiner sein, der sich den Kopf darüber zerbricht, was unterwegs alles passieren könnte bzw. sich dabei schon vorher zu Tode fürchtet. Genausowenig wie ich meine Touren und Reisen "zerplane". Ein vorreserviertes Quartier wird es, so man nicht fest an einem Ort stationiert ist und von dort Tagesausflüge unternimmt, weiter – wenn überhaupt – vielleicht für den Abend des ersten Tourtages geben. Alles andere würde dem Reisen, so wie ich es mag, einfach seinen Reiz nehmen. Aber es kann nicht schaden, schon im Vorfeld abzuchecken, wie man nach einem Unfall oder auch nur einer Panne wieder nach Hause kommt, wie speziell in fremden Ländern oft rasch explodierende Kosten abzudecken sind. Auch die Frage, ob die Sozia mitversichert ist, sollte keinesfalls vergessen werden. Hierfür gibt es von nahezu jeder größeren Gesellschaft Unfall- bzw. Krankenversicherungs-Angebote für die Dauer einer Reise, die meist nur wenige Euro kosten und in keiner Relation zu dem stehen, was man sich an Ärger und Geld ersparen kann.
Der Unterschenkelbruch tut am Stotzinger Bergl genauso weh wie in der Mongolei – nur mit dem kleinen, aber nicht unwesentlichen Unterschied, dass man eine halbe Stunde später im Krankenhaus und zwei Stunden später wohl auch schon operiert ist.
Bezahlung durch die Sozialversicherung inklusive.
-wolf
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Tigertrail (Montag, 20 Februar 2017 12:55)
Servus Wolf
Interessante und nachvollziehbare Gedanken denen ich mich zu hundert Prozent anschliesse. Auch wenn ich gerne auf das gebrochene Schlüsselbein verzichtet hätte und nicht ansatzweise das durchgemacht habe was du erlebt hast möchte ich auf keine Stunde des während dieser Mongoleireise Erlebten verzichten. Schlussendlich sind es die gemachten Erfahrungen und Erlebnisse, im Guten wie im Schlechten, welche uns zu dem machen was wir sind. Und trotzdem gehört eine gewisse Voraussicht auf mögliche auftretende Komplikationen dazu, nicht nur für einen selbst sondern auch für die Menschen denen man wichtig ist.
Grüsse und eine unfallfreie Saison
Pascal
Gerd (Montag, 20 Februar 2017 15:03)
Du sprichst mir aus der Seele!
Mir ist vor 4 Jahren das gleiche in Anatolien Passiert, zusätzlich hatte ich noch eine Schultereck Sprengung.
ich hatte im Vorfeld gar nicht realisiert, dass die Türkei kein Mitglied der EU ist und meine Krankenversicherungskarte niemanden interessiert, sondern nur meine Kreditkarte.
Ich bin ca. 3 Stunden herumgelegen, bis sich zwei private Organisationen geeinigt hatten wer mich ins Krankenhaus transportiert, gegen Vorkasse!
Auf die Schmerzen gehe ich nicht ein, die waren einfach abartig.
Auch die Operation wurde nur mit einer 50 prozentiger (4000€) Vorauszahlung durchgeführt.
Zu guterletzt wurde der in der Türkei gesetzte Marknagel in Deutschland umgehend wieder entfernt, da schief eingeschlagen.
Gottseidank hat mich der ADAC zurück geflogen.
Bezahlt hat alles ,wie bei Dir, meine Kreditkartenfirma. Wobei ich das nicht wusste, ein Bekannter hatte mir den Tip gegeben.
So eine Tortour möchte ich nicht mehr erleben und wünsche es auch nicht meinen größten Feind.
Gruß und unfallfreie Touren
Gerd
Bernd L. (Montag, 20 Februar 2017 18:43)
Hallo Wolf;
ja in der Tat- im Nachhinein ist man immer schlauer. Dein positiver Gedanke, einfach weiter zu machen, sich nicht unterkriegen zu lassen- dass ist das Entscheidende. Damit steigerst du deine Selbstheilungskräfte enorm. Das Leben ist kein Ponyhof- aber es ist einfach sooo schön- auf dem Motorrad noch viel mehr.
Ich habe lange im Rettungsdienst gearbeitet und viele Motorradunfälle gesehen- viele haben mich dann gefragt, wie ich dann noch Motorrad fahren kann- es sei doch so gefährlich.
Ja- beim Bier holen im Keller, kann ich auch die Treppen runter fallen!!!!!
Motorradfahren ist einfach toll - für mich das Stressabbau-Utensil schlecht hin.
Aber nun genug gelabert.
Ich wünsche dir schnelle Genesung und freue mich schon auf den nächsten Beitrag.
Schwäbische Grüße
Bernd
Don Manfredo (Montag, 20 Februar 2017 19:48)
Hallo Wolf,
darüber mache ich mir auch immer Gedanken, der Schutzbrief gilt für Europa und für einen kleinen Aufpreis auch Weltweit...
LG
Manfred
vienna_wolfe (Dienstag, 21 Februar 2017 21:09)
@ Pascal:
Natürlich hätten wir beide sehr gerne auf unsere Verletzungen verzichtet und die Reise sicher auch ohne diese Hoppalas genossen – gerade diese Erlebnisse aber haben mMn aus Bekanntschaften Freundschaften entstehen lassen, und das ist auch sehr viel wert. Ich freu mich für dich, dass du heuer im Juni mit Andrea wieder dort bist. Ihr werdet es bestimmt etwas gemächlicher angehen, es aber ganz sicher um nichts weniger genießen. ;-)
@ Gerd:
Beim Lesen deiner Geschichte sah ich mich förmlich dort liegen – kann alles, bis auf die zweite Operation, absolut nachempfinden. Die Schmerzen auf der siebeneinhalbstündigen Fahrt im Geländewagen haben alles, was ich mir in dem Punkt bis dahin vorstellen konnte, übertroffen. In den drei Tagen in der Klinik in Ulaanbaatar lief es dann nach dem Motto: „Pain?“ „Yes“ - Morphiumspritze ;-)
Wünsche dir auch, dass du in Zukunft vor Unfällen verschont bleibst und noch viele, spannenden Touren!
@ Bernd L.:
Ich kann mir gut vorstellen, dass man im Rettungsdienst Dinge zu sehen bekommt, die jegliche Vorstellungskraft übersteigen. Aber wie du schreibst: Motorradfahren ist viel zu schön, um sich dadurch davon abhalten zu lassen. Nirgendwo sonst kann ich so gut abschalten, beim Fahren sammle ich die Gedanken für meine Geschichten, die ich dann in der Redaktion in den Computer tippe. Danke für die Genesungswünsche, bei Metall raus geht’s rascher als bei Metall rein: Seit einer Woche sind die Krücken weg und in geschätzt einer weiteren sitz ich wieder am Moped…
@ Manfred:
Ja, es macht sicher Sinn, sich vorher Gedanken zu machen – auch wenn ich zugeben muss, dass ich in der Vergangenheit viel zu oft viel zu leichtsinnig für mein fortgeschrittenes Alter ;-) unterwegs gewesen bin.
Jakob Weinknecht (Mittwoch, 22 Februar 2017 11:03)
Ich kann Dir technische Lösungen und Systeme wie Garmin InReach mit weltweitem GEOS Rescue Service empfehlen. Dieses System verwenden auch Extrembergsteiger (z.b. Mount Everst, K2, ...). Ich verwende dieses Seit einem Jahr und funktioniert gut. Werde demnächst einen Beitrag in Ausprobiert auf meine Seite stellen. Für Fragen dazu stehe ich gerne zur Verfügung.
vienna_wolfe (Mittwoch, 22 Februar 2017 11:09)
@ Jakob:
Das ist nett von dir, aber ich habe sowieso einen SPOT Gen3 mit einem ähnlich bewährtem Service - nur darfst du nicht so blauäugig sein und glauben, dass das dann in der Praxis immer und überall funktioniert, wie dir das in den Werbebroschüren versprochen wird. In der Mongolei z.B. wäre der Hubschrauber erst gestartet, wenn das Geld am Konto ist - die lassen dich auch verrecken, ganz egal ob du das weltweite Rescue-Service gebucht hast. Denn ausrücken tun die vor Ort, und wenn die nicht wollen, weil noch kein Geld da ist (obwohl die Europäische Reiserückholversicherung schon per Mail und Telefonat bestätigte, dass die den Helikopter zahlen, dann kannst dich brausen ;-) Klingt hat, ist aber (in manchen Ländern) so...
Rüdiger (Mittwoch, 22 Februar 2017 12:28)
Es gibt so ein nettes TShirt mit der Aufschrift "Ich brauche keinen Therapeuten, ich fahre Motorrad" . Das beschrebt die Faszination Zweirad finde ich sehr gut. Klar sollte man nicht hirnlos aufs Bike steigen, aber auch nicht ständig an die möglichen Risiken denken. Gut, dass es bei dir noch einigermaßen ohne große Schäden vorüber gegangen ist und du weiter unter uns Zweiradlern weilst und uns mit deinen Geschichten und Filmen beglückst!
Doris (Mittwoch, 22 Februar 2017 13:04)
Hallo Wolf!
Ich kann Dir voll zustimmen!
Sowohl, was Deine Art des Reisens angeht,
als auch die Art und Weise, wie Du mit der Bewältigung umgegangen bist.
Ich hatte vor meiner großen Reise für alle Fälle eine Auslands Kranken- und Unfallversicherung abgschlossen. Dafür hatte ich meine Krankenkasse hier gekündigt.
Dass das blöd war, hab ich gemerkt, als ich mit gebrochenem Handgelenk kaum das die Reise begonnen hatte, wieder daheim war und ich ohne Versicherungsschutz dastand.
Zum Glück haben sie meine Mitgliedschaft wieder reaktiviert.
Gelernt hab ich: Ist immer gut, zu Hause und unterwegs versichert zu sein :-)
vienna_wolfe (Mittwoch, 22 Februar 2017 19:15)
@ Rüdiger:
Du hast es auf den Punkt gebracht – Motorradfahren hört man nicht so einfach wegen eines, wenn auch zugegebener Maßen schmerzhaften, Missgeschick auf. Aber natürlich ist es nicht falsch, wenn man im Vorfeld gewisse Risiken minimiert oder sich zumindest wegen deren Folgen so gut wie eben möglich absichert.
@ Doris:
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als du deine „Lebensreise“ auf der Panamericana wegen dem gebrochenen Handgelenkt abbrechen hast müssen – und ziehe meinen Helm vor dir, dass du das Ding dann eben mit Verspätung durchgezogen hast. Deine Lehren, was die Versicherung betrifft, kann ich nur unterschreiben, deine Art des Reisens als absolut Nachahmenswert empfehlen ;-)
Angelika (Mittwoch, 22 Februar 2017 20:33)
Hi! Ja, das sind gute Gedanken und es hat nichts mit Verweichlichung, fehlendem Abenteurergeist oder so bullshit zu tun, wenn man sich und seine Lieben ver-sichert.
Seit eine Freundin nach einem Kite-Unfall im EU-Ausland knapp einer Beinamputation entging und stattdessen nach Hause geflogen wurde, reise ich nur mehr mit dem weltweiten ÖAMTC-Schutzbrief...
dlzg
vienna_wolfe (Donnerstag, 23 Februar 2017 08:16)
@ Angelika:
Ich finde auch – solange man es mit Spaß bremsender Übervorsicht nicht übertreibt, zeugt ein gesundes Maß an Voraussicht nur von Verstand. Und dazu gehören nun einmal Schutzbrief, Krankenversicherung etc. oder gegebenenfalls auch ein Rescue Service, wenn man ausgetretene Pfade verlässt.
See u soon...
Berndl (Dienstag, 30 Mai 2017 11:30)
[Gewappnet für den Fall der Fälle]
Nun, saublöd kann es auch in der näheren Umgebung von Ösistan laufen. Dazu eine wahre Begebenheit:
Peter war nicht das erste Mal mit seiner Kawa in GR unterwegs, als er seiner Frau zuhause die beruhigende Nachricht zukommen ließ, dass alles gut ging und er sich schon auf der Fähre von Patras nach Venedig befindet.
Doch die extrem rutschigen, salzfeuchten Deckböden auf der Fähre haben ihre Tücken. Besonders wenn man mit vollen Händen, den Oberkörper gegen die schwere Eisentür drückend, seine Füße vom trockenen Boden im Inneren der Fähre auf das rutschige Außendeck setzt.
So schnell konnte Peter gar nicht schauen, lag er mit offenem Unterarmbruch am Boden. Bruchstelle ganz nah am Ellenbogen... shit
Damit begann für ihn ebenfalls ein sehr, sehr langer und schmerzhafter Leidensweg. Wer denkt, dass auf einem großen modernen Fährschiff ein Arzt anwesend sei, der irrt gewaltig.
Ein zufällig unter den Passagieren mitfahrender dt. Arzt kam Peter zu Hilfe und verarztete ihn so gut es ging. OP, Arzt, Krankenzimmer am Schiff: Fehlanzeige.
Es folgte eine als Ewigkeit empfundene Zwangsreise an Bord der Fähre bis nach Venedig. Schmerzen ohne Ende...
Danach eine ebensolche Fahrt im österreichischen Rettungswagen von Venedig bis nach Wien. Mehrere Zwischenaufenthalte in Spitälern unterwegs...
An eine OP war dann aufgrund der Schwellung auch im Wiener Krankenhaus nicht zu denken: weitere 2 Wochen mit offenem Bruch im Bett des UKH sitzend zuwarten. Das ist hart, gehört aber leider zum unvorhersehbaren Ausgang einer bereits als unfallfrei abgeschlossen geglaubten Tour in Europa.
ES GIBT MEHRERE ARTEN SICH ZU RUINIEREN: MIT WEIBERN, DAS IST AM SCHÖNSTEN, MIT ALKOHOL, DAS DAUERT AM LÄNGSTEN, MIT DEM MOTORRAD DURCH INDIEN ZU FAHREN, DAS IST AM SICHERSTEN. [Dr. Peter Falb]
So kurz,
Berndl