Schon im Frühjahr 2015 hatte ich die Elektro-Freeride zum Testen und war von den Fahrleistungen durchaus angetan – seit damals ist viel Wasser die Donau runtergeronnen. Und kaum weniger Hirnschmalz in die Weiterentwicklung des Prestigeobjekts in Mattighofen. Das 2018er-Modell ist nun in allen Belangen "erwachsener" geworden, wie KTM-Produktmanager Joachim Sauer verspricht. Der Hangar 7 von Red-Bull-Boss Didi Mateschitz in Salzburg, wo das schlanke Motorrad zwischen Formel-1-Boliden und Flugzeugen posierte, war ein gut gewählter Ort für die Präsentation vor rund 100 ausgesuchten Journalisten aus ganz Europa – verkörpert er doch neben unübersehbarer Affinität zu Hightech auch rot-weiß-rote Erfolgsgeschichten.
Und eine solche ist KTM in durchaus ähnlichem Ausmaß wie Red Bull. 2017 wird man erstmals 230.000 Motorräder weltweit verkaufen, im Motorsport ist "Ready to Race" ebenso seit Jahren auf der Überholspur. "Langsam wird der Platz zu eng“, schmunzelte CEO Stefan Pierer in Anspielung auf die Tatsache, dass jedes Weltmeister-Motorrad aufgehoben wird und seinen speziellen Ehrenplatz bekommt. Heuer werden die 300 voll gemacht.
Im Vergleich zu all diesen Superlativen hören sich die rund 3000 Elektro-Freerides, die man bislang an den Endverbraucher brachte, recht bescheiden an. Vor allem wenn man bedenkt, dass KTM das Projekt E-Mobility im Motorradsektor bereits 2007 in Angriff genommen hat. Als erster der Global Player. Die sieben Jahre, die es brauchte, bis man 2014 die erste serienreife Freeride präsentieren zu können, sind in der Motorrad-Branche unüblich viel und bis heute hat man sich in Mattighofen die Geschichte knapp 20 Millionen Euro kosten lassen. Aber so ist das eben, wenn man Neuland betritt.
Zurück zur neuen Freeride E-XC, Modelljahr 2018: Was unterscheidet sie nun vom Vorgängermodell? "Zu allererst die Batterie-Kapazität", sagt Sauer und verweist auf eine Steigerung von gut 50 Prozent. Wo bislang nach etwa einer Stunde Schluss gewesen ist, kann man jetzt eineinhalb Stunden Gas geben. Klingt vielleicht wenig, "im wirklich sportlichen Offroad-Einsatz hält der Akku aber definitiv länger als mein innerer“, verrät der nicht untrainiert wirkende KTM-Manager. Und für diesen Offroad-Einsatz ist die 2018er E-XC definitiv bereit. Wurden dem Leichtgewicht doch gegenüber dem alten Modell neben vielen Kleinigkeiten optischer und funktioneller Natur vor allem ein deutlich verbessertes Fahrwerk (vorne arbeitet eine neue Upside-down-Gabel vom Typ WP Xplor 43 mit verbessertem Ansprechverhalten, hinten ein WP PDS Xplor-Federbein mit verbesserter Progression und erweiterten Einstellmöglichkeiten), ein stabilerer Rahmen, bessere Bremsen und ein breiterer Lenker spendiert.
All das trägt dazu bei, dass das Elektro-Motorrad insgesamt, wie es Sauer bezeichnete, "erwachsener" geworden ist, auch Profis wie Erzberg-Seriensieger Taddy Blazusiak nicht langweilt, der die Neue bei der Präsentation im Hangar 7 durch die Menge fuhr – auch wenn dem Polen als "Old-School"-Typ der Motorenlärm ein wenig abgeht, wie er verriet. Genau das aber macht die Freeride E-XC für Fahrten durch den nahen Wald aber so interessant und ruft nicht gleich den erstbesten Förster auf den Plan…
Wie schon im Vorgänger-Modell kann der Freeride-Reiter zwischen den drei Fahrmodi Eco, Standard (Enduro) und Advanced (Cross) wählen - neu ist beim 2018er Modell jedoch, dass im Economy-Modus bei Bergabfahrten die Batterie geladen werden kann. Im Advanced-Modus bringt die Freeride E-XC 25 PS ans Hinterrad, die sportlich aggressive Fahrleistungen nach sich ziehen. Das Drehmoment von 42 Newtonmetern steht praktisch ab Standgas zur Verfügung, was schon mit der "alten" Elektro-Freeride ein ganz eigenes Fahrerlebnis aufkommen ließ. Apropos: Die neue, verbesserte Batterie passt ebenso ins Vorgängermodell, womit auch Kunden der ersten Stunde in den Genuss der längeren Laufleistungen kommen können.
Bleibt neben der in der Praxis natürlich immer noch recht überschaubaren Reichweite die Frage nach dem Preis, den es für die ab 2018 erhältliche Innovation zu berappen gilt. Auch hier will KTM neue Wege befahren und die A1-Führerschein taugliche Elektro-Freeride zum selben Tarif anbieten wie die ebenfalls neue Viertakt-250er Freeride, allerdings ohne Batterie und Ladegerät. Für diese beiden Komponenten hat man sich ein Finanzierungsmodell ausgedacht, indem man sie für rund 50 Euro im Monat leasen kann, was in etwa den monatlichen Benzinkosten für einen Offroader entspricht.
Und wie sieht es mit der Zukunft der zweirädrigen E-Mobility aus? "Die sehe ich in erster Linie im urbanen Bereich“, sagt Pierer und denkt dabei vor allem an den bisherigen Mofa- und Mopedsektor in den Städten, der in den nächsten Jahren nach und nach von Elektrofahrzeugen ersetzt werden soll. Beginnend mit E-Fahrrädern, die man in Mattighofen unter dem Husqvarna-Label entwickeln wird, bis hinauf zur Freeride, die bis auf weiteres die Spitze des elektrischen Zweirad-Eisbergs bilden soll, will man den Bereich dazwischen mit verschiedensten, bereits in der Entwicklung befindlichen Modellen füllen.
Also dürfen all jene aufatmen, die da befürchtet hatten, dass es den herkömmlichen Motorrädern schon in absehbarer Zeit an den Kragen gehen könnte. Wäre auch gar nicht im Sinne von KTM, wo ja das (boomende) Hauptgeschäft immer noch (lange) Motorräder mit Verbrennungsmotoren sein werden. Und wir dürfen uns auf die neue orange Mittelklasse, die 800er bzw. 790er-Modellpalette freuen, die Anfang November bei der EICMA präsentiert wird. Die dort bereits letztes Jahr mit großem Medien-Echo vorgestellte Duke ist dann im neuen Jahr auch schon zum Verkaufsstart bereit, auf die Serienreife des nicht nur von mir mit Spannung erwarteten Adventure-Modells, das ebenfalls in Mailand erstmals gezeigt wird, werden wir uns jedoch wohl noch ein Jahr gedulden müssen.
Aber Vorfreude ist ja bekanntlich eine der schönsten Freuden…
© 10/2017
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Mark Twain
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