Ich geb's ja zu: Auch ich bin schon in Flip-Flops die Strandpromenade entlang gefahren oder in Turnschuhen mal rasch zum Bäcker um's Eck bzw. ins Büro. Dennoch ist für mich das passende Schuhwerk neben dem Helm das vielleicht wichtigste Ausrüstungs- bzw. Sicherheits-Accessoir beim Motorradfahren.
Wer weiß, wie sich ein Schien- und Wadenbein- bzw. Sprunggelenksbruch anfühlt, wird mir kaum widersprechen, ich hatte leider schon zweimal das zweifelhafte Vergnügen. Die Füße bzw. Beine sind meist das Erste, was bei einem Motorradunfall in Mitleidenschaft gezogen wird, selbst ein harmloser Umfaller kann weitreichende Folgen nach sich ziehen. Ein guter und vor allem gut passender Schuh ist hier sehr oft hilfreich, das Schlimmste zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Wichtig ist ein Schutz der Knöchel, solides Material, eine ordentliche Sohle und natürlich Passform – jeder Fuß ist anders, weshalb auch jeder Schuh ausgiebig lange anprobiert werden muss. Dazu sollte man ihn im Geschäft zumindest 15-30 Minuten anbehalten, ein Stück herumgehen oder sich im Idealfall damit aufs Motorrad setzen, um Schalt- und Bremsvorgänge zu "testen".
Als Vielfahrer, der nahezu täglich auf dem Motorrad sitzt, trägt man übers Jahr je nach Einsatzzweck natürlich verschiedene Schuhe – man hat ja auch nicht jeden Tag dieselbe Hose oder Jacke an. Da kann es dann im Schuhschrank neben Sozias High Heels schon ein wenig eng werden. Nachstehend habe ich meine Eindrücke über jene fünf Modelle, die bei mir in den letzten Jahren am häufigsten auf dem Motorrad getragen wurden, zusammengeschrieben. Jedes dieser über viele tausende Kilometer gefahrenen Paare hat seine Pros und Contras, und da es sich de facto nicht nur um fünf verschiedene Modelle, sondern auch um fünf verschiedene Kategorien von Motorradstiefel handelt, könnte die Zusammenstellung für den einen oder anderen durchaus auch als Entscheidungshilfe beim Neukauf dienen:
Gerade in der warmen Jahreszeit mag man nicht immer in einen hohen Stiefel schlüpfen – vor allem, wenn man nicht den ganzen Tag am Motorrad sitzt. Für die Stadt bzw. den Weg zur Arbeit habe ich mir daher einen Kurzstiefel angeschafft. Der Puma Flat 2 V2 ist leicht und bequem zu tragen, fast wie ein maßgefertigter Halbschuh, passt optisch zur Jeans ebenso wie der Lederhose und macht auch den ganzen Tag über im Büro einen schlanken Fuß. Trotzdem ist er sehr stabil, hat sinnvolle Verstärkungen im Fersen-, Knöchel und Ristbereich sowie eine ölbeständige, rutschfeste Sohle. Der Einstieg geht dank des seitlich angebrachten Reissverschlusses einfach und bequem, dazu kann der Schuh durch den praktischen Klettverschluss im oberen Bereich immer perfekt passend gemacht werden. Oberhalb des Knöchelbereichs ist der Unterschenkel bei diesem Schuh jedoch ungeschützt, weshalb ich ihn für Touren eher meide – auch weil das Leder mangels eines Zehenschleifers außerhalb des Stadtgebiets bei flotter Gangart doch recht rasch durchgescheuert wäre.
Fazit: Ein leichter, bequem zu tragender Schuh für die Stadt bzw. den Arbeits-Alltag, der zumindest den Fußbereich bis zum Knöchel ordentlich schützt und mit dem man nicht gleich die Nerven wegschmeißen muss, wenn man sich nach der Arbeit zu einer spontanen Tour entschließt. Trotzdem in meinen Augen bestenfalls ein "Zweitschuh" und nur bedingt ein "Motorradstiefel", da ein solcher auch den Unterschenkel zu schützen hat.
Dank meiner Freunde von KTM fahre ich an der Duke meist nicht nur einen optisch zum Motorrad passenden, sondern wirklich hervorragend ausgestatteten Stiefel. Der von Alpinestars produzierte S-MX 5 ist, zumindest im Vergleich zu meinen Enduro-Stiefeln, sehr leicht und extrem bequem, durch den über dem elastisch vernähten Reissverschluss liegenden zusätzlichen Klettverschluss auch den sich wechselnden Fuß- bzw. Bekleidungsverhältnissen immer perfekt anzupassen: Ich trage ihn sowohl unterhalb der Lederhose als auch über der Lederkombi. Belüftungseinlässe an Ferse, Fußgelenk und Vorderfuß sorgen in Verbindung mit dem atmungsaktiven Innenfutter für ein angenehmes Klima, PU-Kunststoffverstärkungen an Schienbein, Wade, Ferse, Knöchel und Zehen für die nötige Sicherheit. Wobei die Zehenschleifer austauschbar sind, was in der Praxis jedoch eine ziemliche Fummelei ist. Auch das anatomisch geformte Fußbett dieses Racing/Touren-Stiefels ist austauschbar. Leichten Regen übersteht man trockenen Fußes, bei längeren Regenfahrten wurden die Zehen allerdings auch schon nass.
Fazit: Egal ob im Wienerwald oder bei meinen gelegentlichen Ausflügen auf die Renn- bzw. Kartstrecke (für regelmäßiges Fahren auf der Renne gibt es sicher bessere Modelle) ist mir der Alpinestars-Stiefel mit dem KTM-Logo ein Sicherheit vermittelnder Begleiter, ohne dass dabei der Komfort zu kurz kommt. Wann immer es mit der Duke oder einem Test-Motorrad für die Straße raus aus der Stadt geht, ist er meine erste Wahl, für Ausflüge ins Gelände – vor denen ich ja fast nie ganz gefeit bin – ist er freilich zu weich. Aber das ist auch nicht sein Metier: Wer einen sportlichen Straßenstiefel sucht, ist mit diesem Schuh definitiv gut bedient, wobei die wasserdichte Variante von Alpinestars sicher zu überdenken ist, sofern man ihn als einzigen Motorradstiefel benutzt.
Streng genommen sind die klassischen Timberlands natürlich keine Motorradstiefel, in der Praxis aber nicht nur von mir gerne zu solchen zweckentfremdet. Schließlich sind die Stiefletten äußerst robust und wertig verarbeitet, bieten einen guten Schutz im Knöchelbereich und sind auch im Zehenbereich recht hart. Die Sohle ist rutsch- und widerstandsfähig, der Einstieg durch den robusten Schaft etwas mühsam, wenn der Schuh im geschnürten Zustand wirklich fest sitzen soll. Dazu passen die Timberlands optisch meines Erachtens gut zur Enduro, weshalb ich auch öfter damit fahre, als es die Vernunft eigentlich zulassen sollte. Denn wie auch der Puma Flat 2 V2 bieten sie oberhalb des Knöchels natürlich keinerlei Schutz. Durch eine fehlende Verstärkung im Ganghebel-Bereich ist der Verschleiß auch um einiges höher als bei Motorradstiefel, ich habe meinen Timberlands aber weder ausgedehnte Regen- noch kurze Wasserdurchfahrten erspart und sie hielten doch mehr oder weniger vier volle Saisonen.
Fazit: Vor allem zu beruflichen Terminen, bei denen ich nicht in Endurostiefel herumlaufen kann oder will, sind die Timberlands meist meine erste Wahl – und da der Weg dorthin eben sehr oft über Stock und Stein führt, haben die Schuhe auch schon einiges erlebt. Der Schutz im Knöchelbereich ist gut, ebenso die Sohle, dazu lässt es sich damit, eh klar bei einem Wanderschuh, auch lange Strecken hervorragend gehen. Da ich die oben abgebildeten Exemplare nur noch unter Protest der weiblichen Begleitung anziehen darf, werden demnächst neue angeschafft – denn ganz ohne Timberlands als Zweit-, Dritt-, Viert- oder Fünftschuh geht's einfach nicht.
Praktisch mit dem Kauf des Tigers im Jahr 2011 habe ich mich auch für die Adventure-Stiefel von Triumph entschieden – ein gut verarbeiteter, robuster (Reise)-Endurostiefel, der von mir unzähligen Belastungs- bzw. Qualitätsproben unterzogen wurde. Der Dank Gore-Tex-Membran wind- und wasserdichte, aber atmungsaktive Stiefel verfügt über einen konturierten Schien- und Wadenbeinschutz, Fersen und Außenfuß werden durch vorgeformte PVC-Außenschalen vor bösen Überraschungen bewahrt. Die drei Alu-Schnallen sind über einrastende Plastikriemen stufenlos individuell verstellbar, ein breiter Klettverschluss im oberen Bereich sorgt zusätzlich für Stabilität. Sollte eine Schnalle einmal locker werden, was doch ab und an passierte, ist sie rasch mit einem Kreuzschraubenzieher wieder festgemacht. Die langlebige Gummisohle bietet guten Grip und ist auch im Seitenbereich hart genug, um Schleifeinlagen mehr oder weniger unbeschadet zu überstehen. Etwa 40.000 bis 50.000 Kilometer war der Stiefel auch wirklich wasserdicht, danach hinterließ der schonungslose Einsatz bei allen Witterungen aber doch seine Spuren im Leder und das eine oder andere Mal ordentlich nasse Füsse. Wie überhaupt mittlerweile schon Verschleißerscheinungen zu sehen sind, aber das wäre wohl bei kaum einem Stiefel anders. Zum Wegwerfen konnte ich mich trotzdem noch nicht überwinden, ab und zu kommt der Adventure ja doch noch auf die Füße.
Fazit: Wo immer einen die Reise-Enduro hinführt, mit dem Adventure Stiefel von Triumph steht man gut und sicher auf den Rasten. Für alle, die ein Motorrad aus dem britischen Hinkley fahren (oder sich nicht am Schriftzug stoßen) und die gerne auch mal die asphaltierten Wege verlassen, eine klare Empfehlung meinerseits: Der Stiefel ist (bei entsprechender Pflege) lange wasserdicht, robust und bietet guten Schutz. Beim aktuellen Modell dürften offenbar die Alu- gegen Kunststoffschnallen getauscht worden sein, ansonsten erscheint er mir unverändert. Zwar gibt es von Premium-Herstellern im vergleichbaren Segment etwa mit dem Alpinestars Toucan oder dem Sidi Adventure Gore noch etwas besser ausgestattete Stiefel, ob diese einem aber den Mehrpreis von rund 100 Euro wert sind, muss jeder für sich entscheiden.
Durch meine gesteigerten Offroad-Ambitionen musste 2014 ein echter Cross-Stiefel her, nach einigen Probefahrten fiel meine Wahl auf den in zahlreichen verschiedenen Farbkombinationen erhältlichen Crossfire 2 von Sidi. Hauptgrund war, dass man mit dem Italiener im Vergleich zu den meisten anderen "Hardcore-Stiefeln" die Gang- und Bremshebel richtig gut spürt, ich mich nach einer relativ kurzen Eingewöhnungs-Phase rasch mit dem Hartschalen-Schuh vertraut fühlte. Anfangs störte beim Gehen das laute Quietschen, was ich jedoch mit einer einmaligen Anwendung des WD-40-Sprays praktisch wegbekommen habe. Der Stiefel ist recht schmal geschnitten und sitzt durch die stufenlose Einstellmöglichkeit der vier Schnallen wie angegossen. Bequem auch der Einstieg, weil sich der Schuh sehr weit öffnen lässt.
Ursprünglich hatte ich eigentlich vor, den Crossfire 2 nur Offroad bzw. bei schon im Vorfeld geplanten Schottertouren zu verwenden, mittlerweile aber ist er fast bei jeder Ausfahrt mit dem Tiger oder der CCM auf meinen Füßen. Weil er sich angezogen um einiges komfortabler entpuppte, als er auf den ersten Blick aussieht, man damit auch richtig gut gehen kann (keine Rede von Skischuh-Feeling) und das Sicherheitsgefühl einfach ein ganz anderes als bei "gemäßigten" Endurostiefel ist. Die Außenschale des Sidi ist ein Mix aus Kunststoff, Leder und Mikrofaser, die verbauten Sicherheits- und Komfort-Features des mit atmungsaktivem Teflonmesh gefütterten Stiefels füllen ein ganzes Heftchen, das zur Beschreibung beiliegt – hier eine Kurzfassung: Die robuste Schienbeinschutzplatte ist ebenso austauschbar, wie das Mittelfußteil, der Stiefelschaft oder die Schnallen, der Wadenbereich ist individuell einstell- bzw. anpassbar, der Zehenbereich extra geschützt, das Fußbett herausnehmbar. Die robuste Gummisohle findet fast überall im Gelände Grip, ebenso das an den Schuhspitzen montierte Metall. Letzteres erschwert jedoch eher kleiner gewachsenen Personen auf glattem Asphalt das Rangieren – kommt man wie ich an manchen Enduros nur mit den Zehenspitzen auf den Boden, rutscht man dabei mitunter weg. Obwohl Sidi den Crossfire 2 nicht als wasserdicht ausweist, blieben die Socken darin bislang trocken – sogar auf unserer "Tauchfahrt" vom albanischen Vermosh nach Koplik im September 2014, als allen anderen in der Gruppe schon Schwimmhäute zwischen den Zehen wuchsen. Dennoch habe ich mir jetzt auch wasserdichte Socken besorgt – es gibt schließlich Situationen, wo der Wasserstand höher als der Stiefelschaft ist…
Fazit: Der Sidi Crossfire 2 ist einer der, wenn nicht der schlankste unter den echten Cross-Stiefeln, glänzt durch solide Verarbeitung und vermittelt beim Tragen ein extrem hohes Sicherheitsgefühl. Dennoch ist er weit davon entfernt, unbequem zu sein und punktet vielmehr mit einer vergleichsweise hohen Sensibilität für Rasten, Brems- und Schalthebel, was wiederum der Fahrsicherheit zu Gute kommt. Speziell Stehendfahren erlangt mit dem Schuh eine neue Qualität – ich würde ihn jederzeit wieder kaufen.
© 04/2015
Mein neuer Helm:
Seit März fahre ich mit dem Touratech Aventuro Pro Carbon Jetzt bereit zur Anprobe & Testfahrt bei www.touratech.at
bzw. im Shop in Baden!
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Reisen ist tödlich
für Vorurteile.
Mark Twain
Unter Motorradfahrern gibt es keine Fremden - nur Freunde, die man noch nicht getroffen hat.
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