Urban Mobility. Unter diesem „Modewort“ positioniert Husqvarna seine Straßenmodelle Vitpilen und Svartpilen, den weißen und den schwarzen Pfeil. Nachdem ich im Vorjahr bereits meinen Fahrspaß mit der Vitpilen 701 hatte, war ich gespannt, wie sich mir nun die dunkle Seite dieses extravaganten Motorrads aus Mattighofen bei deren Weltpremiere in Lissabon präsentieren würde. Auf den ersten Blick ähneln sich die Modelle ja sehr, auf den zweiten sind sie doch grundverschieden. Zumindest wenn man drauf sitzt. Durch den höheren, enduromäßig breiteren Lenker ist die Ergonomie angenehmer, die Sitzposition aufrechter. Dazu hat die Svartpilen ein 18-Zoll-Vorderrad verpasst bekommen, 15 Millimeter mehr Federweg vorne wie hinten (jeweils 150 Millimeter) und Stilelemente vom Flat-Track-Racing, wie die Lampenmaske vorne oder die asymmetrische Verkleidung mit dem „Startnummernfeld“ an der rechten Seite. Dafür wurde gegenüber der Vitpilen bei den Brems- und Kupplungshebeln ein klein wenig eingespart, hat doch jene höherwertige Teile verbaut.
Beiden gemein ist neben einem schnörkellosen, aufs wesentliche reduzierten Look und der Liebe zum Detail mit dem immer wieder auftauchenden 701er-Schriftzug, dass sie sich nicht in die gängigen Kategorien von Motorrädern einordnen lassen. Wollen sie auch gar nicht. Naked Bike? Klar, ist doch der Fahrer dem Wind vollends ausgesetzt. Flattrack Racer? Auch, wie erwähnt ist das Thema omnipräsent, ebenso hat die Svartpilen aber genauso was von einem Scrambler. Retrobike will es ebenfalls keines sein, obwohl sein Ursprung in Husqvarnas legendärer Silverpilen zu finden ist. Dann schon lieber die moderne Interpretation das Motorrads für Stadt und Landstraße. Simple Progressive. Einfach gehalten und doch ein Hingucker.
Letztlich ist diese „Kategorisierung“ ohnehin völlig egal, viel wichtiger, wie sich das Motorrad fährt. Und da hat die 701 mit dem fast schon legendären 693-Kubik-Einzylinder aus dem KTM/Husqvarna-Regal einen Trumpf im Stahl-Gitterrohrramen verbaut, der Fahrspaß garantiert. In seiner aktuellen Version leistet der bärenstarke Single 75 PS bei 72 Newtonmetern, was das trocken 158,5 kg leichte Motorrad in jeder Lebenslage zu einem quicklebendigen Geschoss macht. Wir fuhren mitten in der City von Lissabon los, schlängelten uns durch den Stadtverkehr, ehe es auf der Stadtautobahn an die Küste und schließlich über kurvige Straßen an den Cabo da Roca, den westlichsten Festlandzipfel Europas, ging. Im Großstadtgewühl konnte der Motor eine gewisse „Nervosität“ nicht verbergen, er will ganz einfach raus, will losgelassen, will hochgedreht werden! Dann spielt die Musik, erstaunt es immer wieder aufs neue, welche Kraft dieser kompakte Einzylinder zu entfalten imstande ist. Das große Vorderrad tut dabei der Handlichkeit keinen Abbruch, im Gegenteil, dank der aufrechten Sitzposition lässt sich der schwarze Pfeil in Duke-Manier auch durch engstes kurviges Geläuf spielerisch dirigieren. Die leichtgängige Kupplung ist top, muss aber gar nicht in Anspruch genommen werden, lassen sich die Gänge doch genauso auch mit dem serienmäßigen, wunderbar funktionierenden Quickshifter rauf- und runterschalten. Grinsen unterm Helm inklusive, wenns flott zur Sache gehen soll. So gut die Figur auch ist, die man mit diesem Hingucker vor dem Eissalon abgibt: Es bleibt – ähnlich wie die Vitpilen-Schwester – eine sportliche Maschine zum aktiven Motorradfahren, Herbrennpotenzial inklusive…
Das Rundinstrument liefert Grundsatzinfos wie Geschwindigkeit und Ganganzeige digital, ist allerdings bei Sonneneinstrahlung nicht immer gut ablesbar, Fahrmodi sucht man an der Svartpilen vergeblich. Gemäß dem Grundsatz sich aufs Wesentliche zu beschränken, hat sie lediglich (nicht abschaltbares) ABS und eine Traktionskontrolle an Bord, die sich nur vollständig deaktivieren lässt, jedoch nicht in ihrer Intensität verstellen. Insgesamt greift sie aber recht dezent ein, geht einem also auch nicht bei sportlicher Gangart ständig auf die Nerven. Das ABS regelt relativ früh, im Zusammenspiel mit der gut dosierten Brembo-Bremse (vorne ist eine 320-Millimeter-, hinten eine 240-Millimeter-Scheibe verbaut) lässt es sich bei der engagierten Kurvenhatz spät und präzise ankern.
Die aufgezogenen Pirelli MT60 RS in 18/17-Zoll passen durch ihr grobes Aussehen nicht nur optisch gut zum Motorrad, sondern bieten auf der Straße erstaunlich gutes Grip-Niveau und halten doch Reserven für den Feldweg oder die Schotterpiste bereit. Die voll einstellbare WP-Gabel war an unseren Testmotorrädern auf sportlich getrimmt und auf rumpeligen, schlechten Straßen entsprechend hart am weitergeben der „Fahrbahninformationen“, lässt sich aber mit wenigen Handgriffen auch für die etwas bequemere Gangart einstellen. Wobei die Svart- ebensowenig wie die Vitpilen ein Bike zum Cruisen ist, allein schon ihr Motor nach einer forschen Gashand schreit. Und auch wenn dieser punkto Laufkultur in seiner aktuellsten Ausbaustufe nicht einmal mehr annähernd mit den LC4-Aggregaten der Vergangenheit vergleichbar ist, so muss einem doch bewusst sein, dass ein Single einfach mehr Vibrationen verursacht, als ein Mehr-Zylinder.
Die Sitzhöhe von 830 Millimeter erscheint einem dank der schlanken Bank in der Praxis noch niedriger, das edle Sitzteil ist aber kein Wunderding an Komfort, obwohl auch lange Tagesetappen nicht wirklich unangenehm werden. Was man für den Beifahrer nicht sagen kann: Der formschön als „Sitzabdeckung“ getarnte Sozius-Sitz ist nur etwas für hartgesottene Passagiere und/oder kurze Strecken, was ich zwar in Portugal nicht überprüfte, aber noch von der besten Sozia wo gibt in den Ohren habe, als ich sie mit der Vitpilen zu einer 400-Kilometer-Runde, inklusive „Belohnung“ am Pogusch, ausführte…
+ Die Ergonomie ist dank aufrechter Sitzposition richtig gut
+ Der bärenstarke Single ist ein süchtig machendes Triebwerk
+ Das extravagante Design sorgt allenorts für interessierte Blicke
– Die Tachoanzeige ist manchmal bei Sonneneinstrahlung schwer ablesbar
– Die Sitzbank könnte bequemer sein
– Ein am Hinterrad abschaltbares ABS würde den sportlichen "Supermoto"-Fahrcharakter noch verstärken
Fazit:
Mit der Svartpilen 701 hat Husqvarna jetzt einen Pfeil im Köcher, der ausgefallenes Styling, Sportlichkeit und angenehme Ergonomie miteinander verbindet. Meine persönliche Wahl würde als Freund der größeren Federwege jedenfalls schon Aufgrund der aufrechten Sitzposition auf die dunkle Seite der Extravaganz fallen. Fahrspaß wird bei den 701er-Modellen groß geschrieben, hat mit 11.299 Euro in Österreich aber auch seinen Preis. Doch wenn du der Svartpilen dein Ja-Wort gibst, begleitet sie dich auf guten wie auf schlechten Straßen…
Wer es noch ein wenig exklusiver haben will und obendrein rasch ist, kann vielleicht auch eines von den weltweit heuer 500 produzierten Stück des feschen Sondermodells Svartpilen 701 Style ergattern (18 davon bleiben in Österreich), das mit Goodies wie Kreuzspeichenrädern oder Lenkerenden-Rückspiegel Begehrlichkeiten weckt.
© 03/2019
Mein neuer Helm:
Seit März fahre ich mit dem Touratech Aventuro Pro Carbon Jetzt bereit zur Anprobe & Testfahrt bei www.touratech.at
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Reisen ist tödlich
für Vorurteile.
Mark Twain
Unter Motorradfahrern gibt es keine Fremden - nur Freunde, die man noch nicht getroffen hat.
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