Zwei Tage, vier Länder, fünf (oder mehr) Pässe und jede Menge Regen. Das war in Kurzform ein kurzer Abstecher in den Westen Österreichs und darüber hinaus. Genau genommen waren es ja drei Tage, neun Tore, vier Länder fünf (oder mehr) Pässe und so weiter und so fort…
…denn der Grund meines Aufenthaltes in Tirol war lediglich das Fußballspiel zwischen Wacker Innsbruck und Mattersburg, von dem zu berichten ich das Vergnügen hatte. Und das mit dem 6:3 der Burgenländer fast historischen Charakter bekam: Noch nie zuvor hatte der SVM in der Bundesliga auswärts sechs Tore erzielt, noch nie zuvor Wacker im eigenen Stadion ebensoviele Treffer kassiert. Unterhaltsam war‘s im wahrsten Sinne des Wortes, aber da dies eine Motorrad-Seite ist, werde ich den Leser nicht weiter damit quälen.
Die Idee von Sozia und mir war eine einfache: Mit dem Autoreisezug samt Tiger am Samstag von Wien nach Innsbruck, mit ebendiesem Montag spätabends von Feldkirch zurück nach Wien. Somit wäre ich Dienstag Frühmorgens wieder in der Redaktion und wir hätten zwei volle Tage, um ein wenig in den Alpen herumzukurven. Dass der Wetterbericht schon in den Tagen vor der Abfahrt nicht gerade verheißungsvoll war, wurde negiert - das Fußballspiel würde ja auch schwer wegen meiner Bedenken verschoben werden…
Tag 1 (bzw. 2): Von Tirol nach Vorarlberg über I, CH und FL
Streckenlänge: 309 Kilometer
Strecken-Link: MotoPlaner
Video: Flüelapass
Innsbruck (Ö) - Telfs - Landeck - Prutz - Nauders - Reschen (I) - Laatsch - Müstair (CH) - Santa Maria - Zernez - Fusch - Davos - Klosters - Vaduz (FL) - Feldkirch (Ö)
Die Wolken hingen bedrohlich über Innsbruck, wetter.at verhieß beim vorsichtigen Nachschauen auch nichts Gutes. Dennoch war unser Plan klar: Der Weg von Tirol nach Vorarlberg sollte schon am Sonntag absolviert werden. Mit dem Wissen, dass die Silvretta-Hochalpenstraße noch gesperrt war, stand als „Schlechtwetterprogramm“ der fahrerisch relativ anspruchslose aber weit kürzere Weg über den Arlberg-Pass zur Disposition, für den Fall der überraschenden Einsicht seitens des Wettersgottes hatte ich mir dank Tipps eines ortskundigen Kollegen vom Tigerforum (danke, Georg) aber eine Vier-Länder-Route über Italien, die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein bis ins Ländle ausgearbeitet. „Wann müssen wir uns entscheiden“, wurde ich von der besten aller Sozias gefragt, als wir uns bei bewölktem Himmel, aber trockenen Straßen vis-a-vis vom Tivoli, der irgendwie immer noch nach den neun Toren vom Vortag roch, auf die Strecke machten. „In Landeck“, war meine Antwort, wohlwissend, dass auch die kürzere Route durchaus ihre Reize birgt, Sozia und ich den anderen Weg ja irgendwann einmal bei besseren Bedingungen nachholen können würden.
Ob es der letzte war, wage ich an dieser Stelle nicht zu behaupten, da ich bis zum Absteigen ja etwas über 300 Kilometer zurückgelegt habe und den einen oder anderen durchaus auch übersehen hätte können – aber es war definitiv der erste wirkliche Sonnenstrahl dieses Sonntages, der uns knapp vor 10 Uhr just bei der Ortseinfahrt von Landeck ins Visier grinste. Sozia hauchte mir entschlossen ein „wir fahren natürlich die schönere Strecke“ in den Helmkragen – und ich war auch schon links abgebogen. Wie oft sie bis zum Abend diesen Sonnenstrahl wohl noch zum Teufel gewunschen hatte?
Natürlich sind mir die dunklen Wolken, die über den nahen Bergen hingen, nicht entgangen – aber sollte wirklich ICH derjenige sein, der für die kürzere Strecke plädiert?! Die ersten Tropfen verspürten wir schon früher, so richtig zu regnen begann es aber erst kurz nach Nauders, also gerade „rechtzeitig“ vor dem Reschenpass (1.519 m). Was auf die Geschwindigkeit, mit der wir diese allseits beliebte Verbindung von Österreich nach Italien absolvierten, freilich kaum Einfluss hatte: Unglaublich, wieviele Autos sich da selbst bei Sauwetter Richtung Südtirol schlängeln. Oben in Reschen angekommen, musste dann natürlich auch ein kurzer Stopp für das obligate Foto des Kirchturms der im Stausee versunkenen Ortschaft Graun sein.
Nördlich vom Stilfser Joch ging es rechts weg in die Schweiz, zunächst ins Val Müstair, ehe unser Weg in weiterer Folge über den Ofenpass (2.151 m) führte. Schon nach den ersten Kehren war mir klar, dass ich den auch einmal in trockenem Zustand fahren will. Von der vielerseits gepriesenen Aussicht am Scheitel war bei diesem Wetter wenig zu sehen, dafür führte die Abfahrt durch den Schweizer Nationalpark auf der Engadiner Seite durch eine Landschaft, die eindrucksvoll an die Wälder Kanadas erinnert – doch Vorsicht: Selbst bei Regen verleitet die Strecke hier dazu, (weit) schneller als erlaubt unterwegs zu sein. Wer den schweizerischen Strafenkatalog kennt, weiß, dass dies teuer werden kann. Aber warum sollte die eidgenössische Polizei anders als die unsrige sein und bei solch unwirtlichen Verhältnissen einen Fuß vor die (trockene) Wachstube setzen?
In Zernez waren wir dann schon ziemlich durchnässt, als ich bei der wohlverdienten Pause wieder einmal feststellen musste, dass dieselbe Schreibe noch lange nicht dieselbe Sprache ist - und bekam als das bestellte Spezi einen Radler serviert. Angeblich geht es unseren deutschen Freunden mit uns ja nicht viel anders…
Egal, die teuerste Pizza unseres Lebens war ausgezeichnet und jeden Bissen wert, die Luft draußen schon fast wieder trocken, als wir uns wieder auf den Weg machten. Was sich freilich schon nach wenigen Kurven wieder ändern sollte. Aber zum Glück regnete es ja nicht die ganze Zeit - zwischendurch hat es auch geschneit: Oben am wirklich tollen Flüelapass (2.383 m), der Susch mit Davos verbindet und an dessen Passhöhe ein kleiner See liegt. Da sich die Sicht durch den nun auch noch einfallenden Nebel gegen Null näherte, haben wir davon nichts mitbekommen, die Abfahrt war folglich eine eigene Herausforderung, zumal mittlerweile auch schon das Visier derart beschlagen war, dass kaum noch ein Sichtfeld freigegeben wurde.
Den wahren Ernst der Lage erkannte ich freilich erst beim Tankstopp in Davoz, als mir die tapferste aller Sozias mit durchgefrorenen Fingern und nassen Zehen in den Stiefeln ein „nach Rumänien kannst du alleine fahren“ entgegen raunte. Frauenversteher, wie ich nun einmal bin, beschloss ich kurzerhand, die von einem Freund empfohlene Stichstraße von Klosters-Dorf nach Schlappin trotz oder vielleicht auch wegen ihrer 30-prozentigen Steigung auszulassen, und mich auf kürzestem Wege über den relativ unspektakulären Wolfgang-Pass (1.631 m) und durch Liechtenstein bis nach Vorarlberg durchzukämpfen.
Kurz vor vier Uhr Nachmittags fanden wir dann auch in Feldkirch eine nette Bleibe für die Nacht und nach einer heißen Dusche sowie zwei Weißbieren sah die Welt auch schon wieder viel freundlicher aus.
Tag 2 (bzw. 3): Rund um den Säntis
Streckenlänge: ca. 155 Kilometer
Streckenlink: MotoPlaner
Feldkirch (Ö) - Sennwald (CH) - Sax - Gams - Wildhaus - Alt-St. Johann - Nesslau - Urnäsch - Gonten - Appenzell - Bregenz (Ö) - Dornbirn - Feldkirch
Die „Warnung“ von Davoz schwirrte wohl noch ein wenig im Hinterkopf herum, als ich nach kurzem Studium des Wetterberichtes, der da einen Mix aus Wolken und Sonne, mit der Möglichkeit von kurzen Schauern prophezeite, der nachsichtigsten aller Sozias folgenden Vorschlag fürs Tagesprogramm unterbreitete: Bodensee-Uferpromenade und Kaffehaus oder Shopping in Bregenz bzw. Dornbirn. Das allerdings nicht auf direktem Wege die knapp 30 Kilometer von Feldkirch über die wenig spannende Vorarlberger Bundesstraße, sondern nach einer kleinen Runde um den Säntis, jene majestätische und fast das ganze Jahr über schneebedeckte Erhebung, die sie in der Schweiz ebenso schlicht wie ehrfurchtsvoll „der Berg“ nennen. Sie schlug ein und wir fuhren nach ausgiebigem Frühstück tatsächlich bei Sonne los. Ab der Ortschaft Gams wurde neben der Gebirgskulisse am Fuß der Churfirsten auch die Strecke immer attraktiver, bei Nesslau-Neu St. Johann ging‘s dann rechts ab auf den Schwägalppass (1.278 m), im Sommer und an Wochenenden an beliebter Motorradtreff, den wir - sieht man von der ziemlich massiven Präsenz des Schweizer Militärs ab - praktisch für uns allein hatten.
Da sich allmählich dunkle Wolken breit machten, kehrten wir kurz im Wirtshaus „Passhöhe“ ein, wo sich die freundliche Wirtin anbot, ein Foto von uns mit dem Berg im Hintergrund zu machen. Nett. Nur war nach dem Capuccino vom wolkenverdeckten Säntis nix mehr zu sehen, weshalb wir den Stich zur Schwägalp (1.360 m) ausließen und uns auf den Weg machen.
Schon nach wenigen hundert Metern der Abfahrt Richtung Urnäsch wurde uns klar, was am Vortag noch gefehlt hatte: Hagel! Hart prallten die kleinen Körner gegen Mensch und Motorrad, aber bald schon wandelte sich das Szenario ohnehin in ein vertrautes Bild: Regen. Und das nicht in Form der prophezeiten kurzen Schauer. Erst nach Apenzell wurde es wieder trocken, doch als ich nach wenigen Kilometern beim Blick aufs Navi bemerkte, dass ich in einem Kreisverkehr die falsche Ausfahrt genommen hatte, kurzerhand umdrehte und zurück in den Kantons-Hauptort sowie den Regen fuhr, vernahm ich aus dem Helm hinter mir einen lauten Aufschrei. Es hatte wohl nichts mit dem berühmtesten Produkt der Region zu tun, dass die leidenfähigste aller Sozias Appenzell plötzlich nur noch Käse fand…
… zurück in Vorarlberg stieg bei Kaffee und Kuchen sowie nun wirklich Sonnenschein am Ufer des Bodensees die Laune dann aber minütlich, spätestens im Nachtzug von Feldkirch nach Wien konnte sie schon über all das Erlebte lachen. Es war ja auch ein netter Ausflug, wenngleich ich zugeben muss, dass das Wetter eine Spur besser sein hätte können. Und falls ich einen Pass in meinen Aufzählungen vergessen habe, so möge es es mir dieser verzeihen und ich die Schuld dem Regen zuschieben. Fein war‘s ja dennoch irgendwie, schon allein Dank der Gesellschaft der nettesten aller Sozias. Nur Appenzeller wird bei uns wohl länger keiner am Frühstücksteller liegen.
Mein neuer Helm:
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Kontakt:
Reisen ist tödlich
für Vorurteile.
Mark Twain
Unter Motorradfahrern gibt es keine Fremden - nur Freunde, die man noch nicht getroffen hat.
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