Zwei Verrückte auf Abwegen

Nach der rundum tollen Tour durch Albanien zusammen mit Klaus, der 2017 wegen seiner Mongolei-Reise jedoch nicht dabei sein konnte, war für Karim und mich rasch klar: Das schreit nach Fortsetzung! Das Ziel war dabei eher Nebensache, jede Menge Schotter unter den Rädern sollte aber schon sein. Weshalb mein Vorschlag, die Karpaten in der Ukraine und Rumänien näher zu erkunden, auch sofort angenommen wurde. Als mir Karim dann schon letzten Winter eröffnete, dass er statt seiner leichten CRF 250L diesmal mit der neuen Africa Twin unterwegs sein werde, war ich ehrlich gesagt zunächst ein wenig skeptisch, ob da der Fahrspaß mit der wesentlich leichteren CCM GP 450 nicht auf der Strecke bleiben könnte. "Keine Sorge, ich will einfach abchecken, wie weit es für mich mit der großen Reiseenduro geht", dachte er nicht daran, schon im Vorfeld irgendwelche Kompromisse einzugehen und machte sich bald motiviert an die Streckenplanung. Speziell auf ukrainischer Seite sind die Karpaten ja zum Großteil noch ein unbeschriebenes Blatt auf der Motorrad-Landkarte und im Netz dementsprechend  wenig darüber zu finden. So gesehen war es nicht nur eine Tour von zwei sehr ähnlich tickenden Typen (mit noch dazu demselben Friseur) auf doch recht unterschiedlichen Motorrädern, sondern zum Teil auch ins Ungewisse…

CCM GP 450 Adventure, 40 PS, ca. 140 kg inkl. Sprit
CCM GP 450 Adventure, 40 PS, ca. 140 kg inkl. Sprit
Honda Africa Twin DCT, 95 PS, ca. 240 kg inkl. Sprit
Honda Africa Twin DCT, 95 PS, ca. 240 kg inkl. Sprit


Tag 1 • Über die Slowakei in die Ukraine

 

Wien - Bratislava - Nove Zamky -  Kosice - Michalovce - Uschgorod

 

Streckenlänge: ca. 600 km

 

Strecken-Link: MotoPlaner

(ungefähr, in Österreich nahmen wir z.B. die A4 bzw. die A6 bis zur Grenze)

Pünktlich um 8 Uhr Morgens war Frühaufsteher Karim, der auf der Anreise von Freiburg noch rasch die Großglockner Hochalpenstraße mitgenommen hatte, in der Bäckerei Schwarz in Wien 13 zum Frühstück "gestellt". Danach ging es frisch gestärkt bis zur slowakischen Grenze auf der Autobahn, ab Bratislava dann über Bundesstraßen in Richtung Ukraine. Die Fahrt war kurzweilig, die Strecken durch meist hügeliges Gebiet am Rande der kleinen Karpaten durchaus fahrenswert. Könnte man auf alle Fälle noch interessanter bzw. gebirgiger gestalten, wir hatten jedoch Uschgorod als unser Tagesziel auserkoren und wollten dementsprechend Kilometer machen. So blieb auch Zeit für einen gemütlichen Zwischenstopp mit guten italienischen Teigwaren.

Die übliche Verzögerung bei Grenzen Richtung Osten blieb überschaubar, auch weil wir mit dem sympathischen Ukrainer Alexander, der eine BMW GS Adventure fährt und daheim auch noch eine KTM EXC in der Garage stehen hat, einen hilfsbereiten Dolmetsch zur Hand hatten. Warum die slowakische Beamtin bei der Ausreise aus dem EU-Land partout wissen wollte, wieviele Liter Sprit ich im Motorrad mitführe und was sie mit meiner Antwort ("ich schätze so 10-12 Liter") letztlich anfing, wird sich mir zwar nie ganz erschließen, aber an solchen Orten diskutiert man besser nicht und schaltet auch die Kamera ab, sofern es verlangt wird – zumindest kurz. Was jedoch erst der Kollege auf ukrainischer Seite tat…

Anschließend führte uns Alexander auch noch bis zu unserem Quartier in Uschgorod, dem Praha Woodhouse, das neben idyllischen Holzhütten-Flair westlichen Standard zu sehr moderaten Preisen (ca. 25 Euro inkl. Frühstück im Einzelzimmer) bietet. Abendessen und Frühstück gibt es übrigens im (etwas teureren) Haupthaus des Hotel Praha.


Tag 2 • Zum Einstieg gleich die große Schlammpackung

Der ursprünglich geplante, von Karim ausgearbeitete Track rechts (bzw. unten zum Download) ist nur ein Anhaltspunkt unserer gefahrenen Route, da wir aufgrund verschiedenster Umstände (meist Schlamm) immer wieder Mal auf andere Passagen auswichen. Mit Reiseenduros ist er daher nur bedingt bzw. ausschließlich für geübte Fahrer nachfahrbar, vor allem nach oder bei Regen mit Vorsicht zu genießen.

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Offroad-Tour Nevytsky Castle/Falcon Rocks
UKR1.GPX
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"90 Prozent unbefestigte Wege", versprach Karim für den ersten Fahrtag in den Karpaten und die Vorfreude war schon beim Frühstück dementsprechend groß. Wobei es gleich der Einstieg in sich hatte. Nach einem kleinen Dorf-Sportplatz hatten wir drei mehr oder weniger parallel verlaufende Wege zur Auswahl – wir entschieden uns für die goldene Mitte. Doch der Feldweg wurde rasch zum Pfad und verschwand bald ganz im hüfthohen Gras. Was zur Folge hatte, dass man die teils richtig tiefen, ausgetrockneten Spurrillen kaum sehen konnte und wir schon bald unsere Mopeds erstmals zum Ausruhen ins Gelände legten, um zu überlegen, wo es denn nun weiter gehen könnte…

…was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnten: Das war bloß das Aufwärmen dafür, was an diesem Tag noch alles kommen sollte. Solange die Wege trocken waren, machten sie Spaß und stellten weder die Motorräder noch ihre Fahrer vor ernsthafte Probleme, im Wald wurde es aber immer wieder rasch so richtig matschig und mitunter auch unübersichtlich, verlor sich der eine oder andere "Weg" im dichten Gestrüpp. 

Der grob geschotterte Weg rauf zur Burg Nevytsky machte aber derart Freude, dass wir den Abzweig zur einstigen Festung glatt verpassten. Zwischendurch erforderten immer wieder schlammige Abschnitte höchste Konzentration, Hut ab vor Karim, der dies alles mit der schweren Africa Twin meisterte. Als wir dann jedoch zu einem Platz kamen, wo gerade Waldarbeiter mit Holzschläger-Arbeiten beschäftigt waren und tiefe Spuren der Baufahrzeuge das Vorankommen immer schwieriger machten, wäre es wohl langsam an der Zeit gewesen, wieder umzukehren. Nicht dass ich das meinem Kumpel nicht vorgeschlagen hätte – aber Karim wäre nicht Karim, wenn er es nicht selbst ausprobiert, wie weit er tatsächlich kommt!

Also ging's weiter, erst richtig steil über groben Schotter und dann immer schlammiger, bis wir dann doch irgendwann einmal beschlossen, wieder umzukehren. Das Credo bei solchen Strecken: Du musst dir stets im Klaren darüber sein, dass du das, was du jetzt gerade fährst, im schlimmsten Fall auch wieder zurück musst…

…aber es hilft auch nichts, getroffene Entscheidungen später zu bejammern, sondern einzig und allein, sich positiv gestimmt der nächsten Herausforderung zu stellen.

Am Ende waren wir gar nicht unglücklich darüber, wieder festen Boden unter den Rädern zu haben und am späten Nachmittag dann doch ein wenig überrascht, dass es in acht Stunden lediglich für ca. 70 Kilometer gereicht hatte. Weshalb wir uns auch gar nicht mehr groß auf Quartiersuche begaben, sondern gleich eine weitere Nacht im ja immer noch nahen Praha Woodhouse in Uschgorod verbrachten. Die Steaks zum Abendessen kosteten (nach unseren Maßstäben) fast nix aber schmeckten vorzüglich und waren nach einigen körperlichen Kraftakten – wer mit der Africa Twin abseits befestigter Wege in den ukrainischen Karpaten unterwegs ist, braucht kein Fitness-Studio – auch bitter nötig.


Tag 3 • Feine Strecken und nette Begegnungen

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Karpaten - Tag 3
ungefähr gefahrene Strecke (ca. 170 Kilometer)
UKR Tracks 30.08.GPX
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Uschogorod - Peretschyn - Poljana - Borynja - Lastivka


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Offroad Tour 2
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Offroad Tour 3
UKR3.GPX
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Nicht komplett gefahren, bei Nässe mit schweren Reiseenduros nur für geübte Fahrer zu empfehlen.


Nach Frühstück und kurzem Kettenspannen an der CCM (die Ukrainer entpuppten sich als extrem hilfsbereit) waren wir uns einig darüber, dass wir es an diesem Tag etwas gemächlicher angehen und Fahrten durch schlammige Passagen schon früher abbrechen werden. Was wir dann bei ersten Anzeichen auch taten, ohne dass der Fahrspaß deshalb zu kurz gekommen wäre. Es war jedenfalls ein interessanter Mix aus mittelprächtigen und unfassbar schlechten "asphaltierten" Straßen, aus gepflegten und so richtig naturbelassenen Schotterstraßen sowie zwischendurch auch mal kurz einer frisch geteerten Passstraße, auf der wir die Mopeds wieder mal fliegen lassen konnten.

Vor allem winkende Kinder säumten regelmäßig unseren Weg, zwischendurch gerieten wir auch in eine Polizeikontrolle (für Karim war es die allererste in seinem Leben!), wo uns die durchwegs freundlichen Beamten auch ins Röhrchen blasen ließen – und sogar meine womöglich etwas leichtsinnigen Scherze, wonach wir Wodka aus dem Camel Bag trinken, kamen bei den Polizisten an. Einer von ihnen konnte ausgezeichnet Deutsch und verriet uns nach seiner Frage nach dem Preis der Africa Twin, dass man sich dafür in dieser Gegend der Ukraine ein Einfamilienhaus kaufen könne. Tja, wenn nur der Weg von dort in meine Redaktion nicht so weit wäre…

…die Tankstelle, zu der uns der Polizist den Weg eigentlich gut beschrieben hatte, suchten wir dann eine ganze Weile – wer konnte schon damit rechnen, dass sie hinter einem Haus, das wir ja rasch gefunden hätten, aus einem großen, grünen Tank mitten im Feld besteht? Aber in dieser Ecke der Karpaten muss man froh sein, überhaupt Tankbares zu finden.

Die Landschaft war jedenfalls ein Hammer, die Strecken ganz nach unserem Geschmack und meist genau das Richtige zum entspannten Endurowandern…

…umso überraschter waren wir dann, dass wir nach einer ca. einstündigen Schotter-Passage für uns mitten im Nirgendwo auf eine tolle, neue Hotelanlage mit Fitness- und Wellness-Möglichkeiten sowie Badestrand am Flussufer des Stryj, einem Nebenfluss des ins Schwarze Meer fließenden Dnister, stießen, in der wir die Nacht für ca. 28 Euro pro Mann und Nase bzw. Einzelzimmer verbrachten. Das Essen war super und auch das Frühstücksbuffet spielte alle Stückerln – kurz: Wieder einmal alles richtig gemacht!


Tag 4 • Viel Schotter, aber auch asphaltierte Offroad-Strecken...

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Karpaten - Tag 4
ungefähr gefahrene Strecke (ca. 280 Kilometer)
UKR Tracks 31.08.GPX
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Lastivka - Bolechiw - Mischhirja - Chust - Tjatschiw - Solotwyno


Die Ukrainer errichten derzeit offenbar einige moderne Hotelanlagen in den Karpaten, wo auch die Schigebiete immer mehr ausgebaut werden sollen – trotzdem finden sich dort wohl noch lange wunderbare Schotterstrecken zum Endurowandern, und obendrein nun eben auch wunderbare Unterkünfte westlichen Standards. Für uns ging's jedenfalls gleich schottrig weiter die Stryi entlang, wie Tags davor. Als Tagesziel hatten wir die Grenze zu Rumänien im Hinterkopf, die Strecke führte uns durch kleine Dörfer mit liebevoll gepflegten Kirchen, raue Waldpassagen und sehenswerte Landschaften.

Zwischendurch ließen wir auch wieder die Drohne fliegen, gab's Stärkung in Form einer Pizza zu zweit, vor allem aber Fahrspaß pur. Etwa rund 50 Prozent auf Schotter, aber selbst die Straßen in dieser Ecke hatten mit ihren oft KFZ-großen Schlaglöchern meist etwas von asphaltierten Offroad-Strecken – die Reiseenduro ist definitiv keine schlechte Wahl, um in den ukrainischen Karpaten mit dem Zweirad unterwegs zu sein…

Genächtigt haben wir schließlich am Ufer des Salzsees Solotvino nahe der rumänischen Grenze, ein bei den Ukrainern bliebtes "Thermalbad", wo jede Menge Unterkünfte bereit stehen. Unser Quartier (ohne Frühstück) war zwar weit einfacher als jene in den Tagen davor, aber sauber und (noch) billiger. Und das Abendessen einmal mehr üppig und gut. Nur auf die laute Disco-Musik bis 3 Uhr Morgens hätten wir verzichten können…


Tag 5 • Rumänische Schlepperbande

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Karpaten - Tag 5
ungefähr gefahren Strecke (ca. 280 Kilometer)
UKR Tracks 01.09.GPX
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Solotwyno - Sighetu Marmatiei - Sapanta - Videu de Sus - Borca - Vatra Dornei


Am nächsten Morgen waren die Kinder auf ukrainischer Seite offenbar für den Schulbeginn herausgeputzt, und am Grenzübergang nach Rumänien hatten wir erstmals Kontakt mit einem korrupten Beamten, der ungeniert offen Bares urgierte – es aber nicht bekam. Wir investierten lieber in Kaffee und Croissant zum Frühstück in Sighetu Marmatiei, bevor wir frisch gestärkt bei Sapanta in die rumänische TET-Route einstiegen. Die ausgewaschenen und teils tief verspurten Wege waren mit den vollbeladenen Motorrädern durchaus selektiv zu fahren (habe ich schon meinen Respekt gegenüber Africa-Twin-Karim erwähnt?), und ob die aggressiven Hirtenhunde wirklich nur jemanden zum Spielen suchten, wollten wir nicht näher recherchieren. Nachdem ich dann den Kupplungshebel meiner CCM in Folge von Übermut kaltverformt hatte, beschlossen wir irgendwann, die relativ zeitaufwändige Route wieder zu verlassen und lieber über den fahrenswerten Prislop Pass Kilometer zu machen.

Am Weg dorthin riss mir plötzlich das Kupplungsseil, wohl als Folge des vorangegangenen Sturzes – zum Glück waren wir nicht wie ursprünglich geplant, irgendwo im Gelände sondern auf der Straße unterwegs. Trotzdem ist es gar nicht einfach gewesen, Karim zunächst einmal über das Problem zu informieren: Ich konnte zwar mittels Schalten ohne Kupplung weiterfahren, wusste aber, dass es beim ersten Stopp vorbei wäre, da ich zum Anfahren ohne Gefälle sehrwohl die Kupplung benötige. Mittels Zeichensprache und Zurufen hatte ich ihm aber bald meinen Plan übermittelt, solange weiterzurollen, bis wir an einer Werkstätte vorbeikommen. Stopptafeln waren ebensowenig ein Grund für mich anzuhalten, wie Bahnübergänge oder rote Ampeln, in Ortschaften schlängelte ich mich mal links, mal rechts am stehenden Verkehr vorbei…

…Karim begann indessen – ganz eingespieltes Team – gleich beim Fahren mit der Suche auf seinem iPhone und als er mir mit erhobenem Daumen deutete sowie auch gleich die Führung übernahm, dachte ich, er hätte bereits eine gefunden. So zielstrebig wie er dann an einer Auto-Werkstatt vorbeifuhr, machte ich mir auch keine großen Gedanken und war der Überzeugung, er wüsste in unmittelbarer Nähe eine weitere, in Wahrheit hatte er sie nur übersehen. Was sich jedoch erst herausstellte, als ich zwei, drei Kilometer später aufgrund des dichten Stadtverkehrs nicht mehr anders konnte, als den Motor doch abzuwürgen. Also zurückschieben! Karim hatte eine bessere Idee, kramte einen Ersatz-Gurt aus seinem Gepäck und wir wurden kurzerhand zur rumänischen (Ab)-Schlepperbande:

Das Tor zur Werkstatt war offen, der Besitzer meinte aber, es wäre schon geschlossen. Als ich ihm mein Problem mitteilte und er telefonisch kein neues Kupplungsseil auftreiben konnte (künftig habe ich auf Reisen immer eins dabei, das Einziehen ist keine Hexerei), versuchte er zusammen mit seinem Kollegen, das direkt am Hebel gerissene Seil zu reparieren bzw. einen "Haken" anzubringen, mit dem es wieder fixiert werden kann.

Nach einer guten Stunde kam die "Erfolgsmeldung" und der nette Mechaniker-Meister ließ sich die Arbeit nicht um die Burg bezahlen. "Es ist mir eine große Freude, Leuten zu helfen, die in einer fast aussichtlosen Lage sind“, verabschiedete er sich – es war Freitag Nachmittag, und ohne seine Hilfe wären wir wohl übers Wochenende dort festgesessen. Falls mich mein Weg wieder einmal durch Viseu de Sus führen sollte, werde ich ganz sicher nicht mit leeren Händen kommen…

Für uns ging es weiter über den einst abenteuerlichen Prislop, wobei allerdings etliche Baustellen den Fahrfluss beeinträchtigten – bald schon wird der auf 1.416 Meter führende Pass durchgehend mit neuem Asphalt belegt sein. Oberhalb der Passhöhe wartet ein weitläufiges Geflecht an Schotterwegen zum Erkunden, was wir dann auch machten. Inklusive Aufnahmen von Wolfs Eagle aus der Vogelperspektive.

Unten im Tal lernten wir dann zwei nette rumänische Motorradfahrer kennen, denen wir uns ein Stück in Richtung Vatra Dornei anschlossen. Es war schon fast dunkel, als wir dort dann eine Pension fanden – und uns mit köstlichen regionalen Spezialitäten (unscharf fotografiert ;-) ) den Bauch voll schlugen. Hatten wir uns verdient!


Tag 6 • Ein ungeahnter Höhepunkt

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Karpaten - Tag 6
ungefähr gefahrene Strecke (tatsächlich ca. 400 Kilometer)
UKR Tracks 02.09.GPX
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Vatra Dornei - Gura Haiti - Calimani Nationalpark - Toplita - Targu Mures - Medias - Sibiu


Eigentlich war für diesen Tag in erster Linie Kilometer machen bis Sibiu angesagt, damit Karim von dort am nächsten Morgen Richtung Heimat und ich auf die Strategica – eine unbefestigte ehemalige Militärstraße,  die in die Transalpina mündet – starten kann. Doch unser Vermieter gab uns einen Streckentipp mit auf den Weg, den wir keinesfalls auslassen sollten, weil landschaftlich angeblich ein Traum. Er hatte nicht zuviel versprochen, die Route über das Calimani Gebirge (wo es noch etliche andere Wege zu ErFAHREN gibt) war ein Hammer und definitiv einer der Höhepunkte dieser Reise. Dass sich über die wilde Bergregion und ihre Einwohner zahlreiche Geschichten und Legenden ranken, habe ich erst später durch meine Internet-Recherche erfahren – motiviert durch das Hinweisschild zur "Via Maria Theresia" und der daraus resultierenden Frage, was denn unsere selige Kaiserin hier zu suchen hatte. Die Via Maria Theresia ist eine historische Militärstraße, über die einst die Grenztruppen des österreichisch-ungarischen Heeres mit Waffen und Nahrung versorgt wurden.

Wir hatten freilich nur Wasser und Cabanossi dabei, dafür aber jede Menge Appetit auf Schotter. Der ausgiebig gestillt wurde! Zunächst ging es über eine betonierte Strecke bis zu einem aufgelassenen Steinbruch, dann schlängelte sich der Weg auf Schotter immer höher hinauf, mal grob, dann wieder gepflegt, zwischendurch auf den Almen fast nicht auszumachen.

Das Calimari-Gebirge hatten wir für uns allein, ansonsten aber trifft man in Rumänien auf weit mehr Motorradfahrer als in der benachbarten Ukraine. Wie das rumänische Pärchen an der Tankstelle, das ich wegen der österreichischen Autobahn-Vignette auf der BMW GS 700 angesprochen hatte und dem ich ganz offenbar Riesen-Appitet auf Schottland machte, als ich ihnen von der Highland-Tour im Frühjahr zusammen mit Mel erzählte. Karim und ich hatten bis Sibiu noch eine ordentliche Strecke vor uns, das unverhoffte Schotter-Abenteuer hatte doch einige Stunden für sich beansprucht.

Trotzdem nahmen wir uns noch die Zeit für einen kleinen Imbiss, ehe es – fast durchwegs asphaltiert –  auf schönen Strecken nach Hermannstadt ging. Unsere Motorräder waren dem Brautpaar der Hochzeitsgesellschaft im Hotel willkommenes Motiv zum Foto-Shooting, danach feierten die Frisch-Vermählten und ihre Gäste lautstark bis spät in die Nacht.


Tag 7 • Der Kilometerfresser und ein fauler Wolf

Bereits um fünf Uhr früh machte sich Karim auf den Heimweg nach Deutschland  – bei heftigem Gewitter und im strömenden Regen. Eigentlich hatte er ja zwei Tage für die Fahrt bis Freiburg anberaumt gehabt, wie ich spätabends dann erfuhr, saß er die 1.666 Kilometer auf einer Backe ab – Respekt, die Eisenärsche lassen grüßen! Ich war nicht ganz so fleißig und ließ mich durch die Gewitter von meinem ursprünglichen Plan – Transfagarasan, Strategica und Transalpina in einem Aufwaschen mitzunehmen – abbringen. Zwar wurde es um die Mittagszeit kurz richtig schön und ich schlenderte eine Runde durch die Sonntags-Märkte im Zentrum, als ich mich dann aber doch daran machen wollte, wenigstens die Strategica in Angriff zu nehmen, fing es wieder heftig zu regnen an. So gesehen wäre die Tour ohnehin eine recht feuchte geworden. Und ein wenig die geschundenen Knochen pflegen sowie Batterien aufladen konnte auch nicht schaden.


Tag 8 • Auf den Spuren von 2012

Sibiu - Sebes - Alba Iulia - Vartop - Stei - Oradea - Hortobagy Puszta

 

Streckenlänge: ca. 420 Kilometer

 

Strecken-Link: MotoPlaner

 

(ungefähr nachgeplant, da ohne Navi nur mit Karte gefahren)


Da das Wetter auch am nächsten Morgen nicht wirklich besser wurde, entschloss ich mich dazu, auch zumindest einmal Richtung Heimat aufzubrechen. Und weil mein Navi schon die ganze Reise nicht so funktioniert hatte, wie es das tun sollte, tat ich das eben in "Papa-Max-Manier", indem ich mir vor der Abfahrt die Strecke auf der Karte gut einprägte und dann einfach los fuhr. Wobei mir die Tatsache half, dass ich praktisch dieselbe Tour über das Apuseni Gebirge schon 2012 zusammen mit Mel gefahren war – damals jedoch in die andere Richtung von Oradea oder genauer Baile Felix kommend. Aber so wie diesmal auch im Regen. Schade, denn der Vartop Pass wäre eigentlich durchaus fahrenswert, ab Alba Iulia (Karlsburg) wurden Wetter und Sicht jedoch  immer schlechter und ich schlüpfte gerade noch rechtzeitig in Sebes ins Regengwandl. Doch trotz der unwirtlichen Bedingungen weckte die Fahrt schöne Erinnerungen. 

Erst bei der Grenze nach Ungarn hörte es endlich wieder zu regnen auf und ich beschloss, in der nahen Hortobagy Puszta noch die eine oder andere Piste mitzunehmen, damit ich mit dem angebrochenen Tag auch noch etwas Vernünftiges anstelle. Es machte so richtig Spaß, die CCM war genauso in ihrem Element wie der Wolf und wir streunten bis zur Dämmerung durch die Gegend – weshalb es schon dunkel war, als ich nach zwei Absagen endlich eine Bleibe für die Nacht fand. Ein Bier, eine ungarische Gulaschsuppe – und ich fiel todmüde ins Bett…


Tag 9 • Kein Plan ist ein guter Plan

Hortobagy Nationalpark - Sopron - Pöttsching - Baden - Wien (ca. 580 Kilometer)

Ungarn ist kein Land zum Motorradfahren. Flach. Fad. Sagt fast jeder. Und ich widerspreche keinem. Bleiben die Pisten auch in Zukunft mir. Natürlich gibt es bei unseren süd-östlichen Nachbarn weder spektakuläre Pass-Straßen, noch wartet das ultimative Offroad-Abenteuer. Aber ich bin immer schon gern die paar Kilometer aus meiner burgenländischen Heimat rübergefahren, um legal über Feld- und Waldwege zu jagen, Pisten unter die Stollenräder zu nehmen, die bei Nässe mitunter richtig tückisch bzw. herausfordernd werden können. Und bei all dem meist von den Bauern auf mein Grüßen hin freundlich zurückgegrüßt zu werden. Alles bestimmt nicht reizvoll genug, um extra von weither anzureisen – da gibt es definitiv jede Menge weit interessantere Ziele – aber wenn man schon einmal da ist: Um halb sieben bin ich los, die Sonne lachte wie mein Herz, ich brauchte keine Karte sondern fuhr praktisch ohne Plan nur nach "Kompass" nach Hause. Wo immer ein unbefestigter Weg vielversprechend aussah, fuhr ich rein, nur wenige verliefen sich im Wald, so dass ich wieder umkehren musste, meist kam ich an irgendeiner Landstraße raus, die ich dann dazu nützte, (nordwestliche) Richtung und Kilometer zu machen. Bei Györ nahm ich auch ein kurzes Stück Autobahn. Und am Abend standen dann ca. 580 Kilometer auf der Uhr, für die ich nicht ganz neun Stunden gebraucht hatte.


Fazit:

Man muss nicht zwingend verrückt sein, um mit mir auf Tour zu gehen. Aber es hilft. Karim erfüllt nicht nur diese Voraussetzung, er ist vor allem auch ein Kumpel, auf den man sich jederzeit verlassen kann, der ähnlich gerne wie ich auf dem Motorrad sitzt, kaum Pausen braucht und sich von Rückschlägen nicht stoppen lässt. Mit ihm würde ich, ähnlich wie mit dem längst wolfgeeichten  Klaus, überall hinfahren. Dass es diesmal in die Karpaten ging, ist eine richtig gute Wahl gewesen. Die ukrainische Seite war auch für mich Neuland (davor bin ich mit dem Bike nur in Odessa bzw. der ukrainischen Schwarzmeerküste gewesen), ist aber ebenso spannend und teilweise noch ursprünglicher als jene in Rumänien. Fahrenswert sind sie Karpaten da wie dort, vor allem wenn man auf der Suche nach unbefestigten Wegen und einem Schuss Abenteuer ist – denn das kann hinter jeder Kurve warten. Genauso wie hilfsbereite Menschen. Dass wir diesmal mit doch recht unterschiedlichen Böcken unterwegs gewesen sind, machte die Sache in Wahrheit noch spannender – wobei sowohl Karims Africa Twin, als auch meine CCM Vielseitigkeit bewiesen und auch in jenen Bereichen ihr Motorrad standen, wo wir vorher Defizite befürchtet hatten. Soll heißen: Die GP 450 war auch auf asphaltierten Landstraßen keine Bremse und die CRF 1000L machte selbst vor unwegsamem Geläuf nicht halt. Natürlich geht der unvermeidbare Kompromiss bei der einen in diese und bei der anderen in jene Richtung bzw. eben dies oder jenes leichter von der Hand, unterm Strich sind sie aber beide Reiseenduros und somit vielseitig einsetzbar. Dass mich Rumänien und die Ukraine wiedersehen werden, muss ich nicht extra erwähnen, genauso wie Karim, auch wenn der ein gutes Stück weiter weg ist als die relativ nahen Karpaten.

Aber in Frankreich war ich zum Beispiel schon lang nicht mehr schottern…